Allgemeines zum Keller – Faktor

 

Die Idee, so etwas wie einen Kellerfaktor auszuprobieren, kam mit der Erfahrung, daß vor allem langsam ziehende, sommerliche Gewitter immer wieder zu örtlichen Überschwemmungen und vollgelaufenen Kellern führen. Von Ereignissen im synoptischen Maßstab wie den Hochwassern in Elbe und Oder soll hier nicht die Rede sein.

Zur besseren Vorstellung von den Dimensionen stelle man sich den Durchmesser der Zone intensiven Regens unter einer ‚normalen’ Gewitterzelle mit etwa 2 km vor. Die Dauer des Hauptniederschlags mag 20 min betragen, vielleicht auch weniger. Für die vorstellbaren Extremfälle der Zuggeschwindigkeit kann man folgern, daß ein sehr schnell ziehendes Gewitter bei 60 km/h dann kaum für 2 min Starkniederschlag an einem Ort ablassen kann. Der Streifen starken Niederschlags hätte eine Länge von ca. 10 km. Das andere Extrem, ein ‚festhängendes’ Gewitter, das besonders im Bergland gelegentlich vorkommt, ließe seinen gesamten Niederschlag praktisch an derselben Stelle ab.

Es sind gewaltige Wassermengen im Spiel. Wenn – noch ganz ohne Wolken – über einer Fläche von 3 qkm die Feuchtigkeit in der Luft, die zu Niederschlag werden kann, etwa 30 l/qm beträgt, enthält diese Luftsäule 90 000 Tonnen Wasser!

 

Für die Wahrscheinlichkeit von Starkregenfällen durch sommerliche Unwetter sind vor allem drei Einflußgrößen von Bedeutung: Die Zuggeschwindigkeit des Gewitters, seine Stärke und – gleichsam als Vorbedingung – der verfügbare Wasserdampf in der Atmosphäre. Dazu kommen noch auslösende und unterstützende Faktoren wie die Orographie und großräumige oder regionale Hebungsvorgänge.

 

Die Zuggeschwindigkeit eines Gewitters hängt von den Höhenwinden und auch von seiner eigenen Entwicklung ab, die es u.U. schneller oder langsamer werden läßt. Auch die Richtung kann sich durch die Entwicklung, etwa zur wärmsten Luft hin, merklich verändern. Tendenziell ziehen Gewitter, die sich ohne überwiegende synoptische Auslösung in einer Luftmasse ereignen, langsam. Dagegen kann man bei starken Gewittern an Fronten und Konvergenzlinien auch sehr hohe Zuggeschwindigkeiten beobachten. So wurden z.B. die Gewitter, die im Sommer 2003 den Tornado von Norderstedt bei Hamburg hervorbrachten, auf dem Radar mit 60-70km/h gemessen. Natürlich war das kein Polizeiradar sondern das Wetterradar in Hamburg-Fuhlsbüttel! ;-)    

Die Stärke eines Gewitters geht über die zur Wolkenbildung verfügbare Labilitätsenergie in die Berechnung des Kellerfaktors ein. Die sogenannte CAPE (Convective Available Potential Energy) kann auf verschiedene Weise berechnet werden. Eine übliche Berechnung ist die MUCAPE (Most Unstable CAPE), die von der höchsten potentiellen Feuchttemperatur der untersten 150 mb ausgeht. Siehe auch: http://www.diplomet.info/CAPE.html .

 

Eine wichtige Voraussetzung für den Gewitterregen (und auch für die Gewitterbildung) ist die in der Luft vorhandene Feuchtigkeit. Der in einer Luftsäule in der gesamten Atmosphäre vorhandene Wasserdampf wird meistens aus den Radiosondenaufstiegen ermittelt und als ppw (Precipitable Water, niederschlagbares Wasser) in mm oder cm angegeben. So werden üblicherweise auch die gefallenen Regenmengen angegeben, 1mm = 1 Liter pro Quadratmeter. Erfahrungsgemäß ist das ppw ein guter Anzeiger für die zu erwartenden Regenmengen, jedoch können Gewitter aus ihrer Umgebung eine Menge Luft ansaugen und zum Ausregnen bringen, so daß es sehr von der Stärke des Gewitters abhängt, ob nicht viel mehr oder auch weniger herunterkommt als nach dem ppw allein erwartet.

 

Der Kellerfaktor leitet aus dem vorhandenen Wasserdampf, der verfügbaren Energie für die Gewitterwolken und der zu erwartenden Zuggeschwindigkeit eines Gewitters die Chance ab, daß ein solches Ereignis zu einer lokalen Überschwemmung führt. Die Intensität eines Gewitters kann entlang seiner Zugbahn von Ort zu Ort innerhalb kurzer Zeit sehr verschieden sein. Außerdem kommt es vor, daß mehrere Gewitter nacheinander über den selben Ort hinweg ziehen. Man darf auch nicht vergessen, daß die Radiosondenstationen weit auseinander liegen und ihre Lage nicht unbedingt repräsentativ für eine große Umgebung ist.

Der Kellerfaktor ist also nicht mehr als ein Versuch,  Hinweise darauf zu gewinnen, in welchen Gebieten Gewitter hohe kleinräumige Niederschläge verursachen könnten.

 

 

Die Karte

 

Für das Zusammenwirken von Zuggeschwindigkeit, MUCAPE und ppw habe ich folgende Rechenvorschrift für den Kellerfaktor (KF) angesetzt:

 

KF = (ppw * Faktor)(MUCAPE * Faktor)/Zuggeschwindigkeit

 

Gemessen wird ppw in cm, dargestellt auch in den Karten „Precipitable Water“. Die Zuggeschwindigkeit ist in Knoten angegeben, wie auf den Karten „Storm Motion II“, also 80% der mittleren Windgeschwindigkeit zwischen 1 und 5km Höhe. MUCAPE  kommt in der Einheit J/kg, siehe hierzu die Karten „MU-CAPE“. Die Multiplikationsfaktoren sind willkürlich gesetzt, um die Werte in einen handlichen Zahlenbereich zu bringen und die Enflüsse der drei Größen zu steuern. Sie müssen wahrscheinlich noch angepaßt werden.

KF ist nach seiner Definition dimensionslos. Er wird für die Stationen nur berechnet und in die Karte eingetragen, wenn für die drei Einflußgrößen Werte vorhanden sind. Liegt an einer Station die Zuggeschwindigkeit unter 1 Knoten, wird sie auf 1 Knoten gesetzt, damit ein KF berechnet werden kann. Die Regenmenge hängt dann mehr oder weniger ausschließlich von der Intensität der Gewitter und der verfügbaren Feuchte ab und wird nicht durch eine Verlagerung ‚verteilt’.

Die Werte für den Kellerfaktor werden schließlich ganzzahlig abgerundet, Werte unter 1 werden dadurch zu Null. Die maximalen Werte sind auf 3000 begrenzt, wie hoch sie in der Praxis kommen werden, ist abzuwarten. Die Karte wird in Abstufungen der  traditionellen ‚Regenfarbe’ Grün koloriert.

 

Der häufigste Grund für ‚Ausreißer’ sind unvollständige Radiosondenaufstiege, bei denen z.B. die Feuchte oder der Wind nur am Boden oder in Bodennähe gemessen wurde. Meßfehler bei der Temperatur (am Boden) können gelegentlich extreme Werte der CAPE verursachen. Lokale Maxima können entstehen, wenn im Zentrum eines Tiefs kaum noch Wind herrscht. Man muß im Einzelfall entscheiden, ob dem eine Bedeutung zukommt. Meistens klärt ein Blick auf das entsprechende Tempdiagramm die Lage.

 

 

Stand: 3. Mai 2010

 

Nachtrag – im April 2012:

In der Vergangenheit hatte sich ein Fehler eingeschlichen, der durch eine Änderung bei RAOB zustande kam und den ich nach dem entsprechenden Update nicht bemerkt habe. Die Werte des KF waren dadurch schlicht falsch (und viel zu niedrig). Der Fehler ist nun behoben.