Allgemeines
zu Storm Motion
Storm heißt im
anglo-amerikanischen Sprachgebrauch Gewitter. Das deutsche Wort „Sturm“, das
stets in Zusammenhang mit einem intensiven Tiefdruckgebiet gebraucht wird,
heißt dort „Gale“. Wenn wir „Sturm“ im Verbindung mit z.B.
Böen gebrauchen, ist ebenfalls eine vergleichbare Windstärke wie bei einem
Sturm gemeint.
Storm Motion,
also die Verlagerung von Gewittern, umfaßt die Angabe einer Richtung und einer
Geschwindigkeit, wie es beim Wind üblich ist. Entsprechend ist auch die
Darstellung auf der Karte ein Windpfeil, bei ganz geringer Geschwindigkeit ein
Kreis. Der Wind ist die Hauptursache der Verlagerung von Gewittern, und der
Storm Motion Vektor wird auf die eine oder andere Weise aus Winddaten
abgeleitet. Er gibt einen Hinweis darauf, wie etwa sich Gewitter verlagern
würden, wenn sie vorhanden wären.
Gewitter
verlagern sich auf verschiedene Art, die vom Typ des Gewitters, von seiner
Stärke, von seinem Entwicklungszustand und von den meteorologischen Bedingungen
abhängt. Auch die Orographie spielt oft eine Rolle. Die komplizierten
Zusammenhänge machen es praktisch unmöglich, die Zugbahn eines Gewitters exakt
vorherzusagen, vor allem, wenn es sich noch gar nicht gebildet hat. Da es
jedoch aus naheliegenden Gründen wichtig ist zu wissen, wohin und wie schnell
etwa entstehende Gewitter ziehen werden, gibt es zahlreiche Untersuchungen
und Veröffentlichungen über dieses
Thema.
Radar- und
Satellitenbilder können nur bereits bestehende Wolken bzw. Schauer oder
Gewitter verfolgen. Sie sind daher vor allem für Kürzestfristvorhersagen
(Nowcasting) über wenige Stunden geeignet. Die meteorologischen Strukturen, die
eine Gewitterentstehung ermöglichen, zeichnen sich aber bereits früher ab und
sind, wenn auch mit Einschränkungen, meistens deutlich erkennbar. Aber: Durch
die Beobachtungen mit Radiosonden und Bodenmeßgeräten erfaßt man nur einen
momentanen Zustand, der sich praktisch laufend ändert, im wesentlichen durch
die synoptische Entwicklung und durch den Tagesgang von Sonneneinstrahlung und
Bewölkung. Das Meßnetz von Radiosonden und auch das von Bodenstationen ist so
weitmaschig, daß kleine Strukturen der Atmosphäre, die manchmal für eine
Gewitterauslösung den Ausschlag geben, einfach nicht erfaßt werden können.
Schließlich – und das kann besonders bei schweren Gewittern der Fall sein –
wird das Umfeld durch das (oder die) Gewitter selbst beeinflußt. Abschirmung
der Sonneneinstrahlung durch den Wolkenschirm, Änderung der bodennahen
Temperaturen durch den Kaltluftausfluß, Änderung der Windverhältnisse sind
Beispiele. Daher stammt übrigens der bekannte Spruch, daß Gewitter „gegen den
Wind ziehen“. Natürlich stimmt das nicht, sondern es wird lediglich die Luft in
den untersten Schichten vom Gewitter angesogen. Dadurch entsteht ein durchaus
realer, zum Gewitter hin wehender Wind, der in extremen Fällen ganz erhebliche
Stärke erreichen kann.
Die
Verlagerung von Gewittern kann man durch das Zusammenwirken zweier Antriebe
beschreiben:
Die aus diesen beiden Antrieben resultierende Zugrichtung weicht in der
Mehrzahl der Fälle etwas, bis zu 30°, nach rechts vom mittleren Wind ab. Dabei
spiegelt sich für Mitteleuropa (auch für den mittleren Westen der USA) eine
typische Situation mit energiereicher Warmluft im S bzw. SE und kühlerer
nachrückender Luft im NW wieder. Die allgemeine Verlagerung erfolgt nach NE,
neue Gewitterzellen bilden sich bevorzugt auf der warmen Seite, im SE, und der
ganze Komplex wird scheinbar in diese Richtung abgelenkt, in die er sich in
Wirklichkeit aktiv hineinentwickelt.
In
Schwachwindsituationen, in der dieser Ausbreitungs-Effekt dominiert, kann die
Sentenz entstanden sein, „daß Gewitter nicht über die Elbe hinwegkommen,
sondern zurückkommen oder an der Elbe entlang ziehen“. Das Hindernis, eine
große Wasserfläche mit kühler Luft im Gegensatz zu Warmluft über der
angrenzenden Landschaft, bewirkt, daß das Gewitter sich dorthin
weiterentwickelt, wo ihm weiterhin Energie zufließen kann, sonst würde es
zerfallen. Im Einzelfall ist so etwas durchaus plausibel, leider werden solche
„Erkenntnisse“ aber leicht verallgemeinert.
Durch
Wechselwirkung mit benachbarten Gewitterzellen, durch Aufspaltung und
Zusammenschmelzen kommt es gelegentlich zu anderen Abweichungen, auch nach
links vom mittleren Wind. Daher ist es aus einer synoptischen Vorbetrachtung
wie dieser nicht möglich, eine definitive Aussage abzuleiten. Die Karte kann
nur einer ersten Einschätzung dienen.
Die Karte
Die Storm
Motion Vektoren, die wie Windfiedern an den Radiosondenstationen eingetragen
werden, zeigen die erwartete Verlagerung nach Richtung und Geschwindigkeit. (Um
von der Geschwindigkeit in Knoten auf km/h umzurechnen, verdoppelt man den Wert
und zieht vom Ergebnis 10% ab. Das ist für die Praxis genau genug.) Es handelt
sich um den Mittelwind vom Boden bis 6km Höhe, wobei die Geschwindigkeit auf
75% vermindert und die Richtung um 30° nach rechts (im Uhrzeigersinn) gedreht
ist. Die Geschwindigkeit ist auf der Karte als Zahlenwert extra angegeben, und
sie ist auch als Feld mit Isolinien dargestellt. Diese Erfahrungsregel (75%,
30°) stammt aus den USA und trifft am ehesten auf die starken Gewitter zu. Bei
weniger heftigen Gewittern sind die Abweichungen vom Mittelwind geringer.
Mit der
Kolorierung sollen zwei Effekte tendenziell hervorgehoben werden, die natürlich
von der Stärke des Gewitters und der Niederschlagsintensität abhängen:
1.
Bei
hohen Verlagerungsgeschwindigkeiten wächst die Gefahr von starken Böen, da sich
der Höhenwind zumindest teilweise zu den ‚normalen’, durch die herabstürzende
Kaltluft entstehenden Böen addiert. Deshalb sind auch die Böen in
Verlagerungsrichtung regelmäßig am stärksten, und in Warntexten wird das
gelegentlich auch so angesprochen. Dieser Bereich wird in Rot-Tönen angefärbt.
2.
Bei
geringer Verlagerungsgeschwindigkeit laden die Gewitter ihren Niederschlag auf
einer kurzen Strecke ab. Die Gefahr von lokalen Überschwemmungen wächst. Dieser
Bereich wird in Grün-Tönen angefärbt.
(Hierzu wird versuchsweise eine weitere Karte erscheinen, in der die erwartete
Zuggeschwindigkeit und der Wasserdampfgehalt der Luft, soweit er zu
Niederschlag werden kann, miteinander zu einem ‚Keller-Faktor’ verrechnet
werden. Es sei nochmals daran erinnert, daß ein Gewitter mit Niederschlag
vorhanden sein muß, damit solche Aussagen aber überhaupt einen Sinn geben. Und
selbst dann ist noch nichts über die Größe, Dauer und Stärke des Gewitters
ausgesagt!)
Nachsatz
Die hier
benutzte Methode ist „die klassische“. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin,
daß sich für bestimmte Gewittertypen (Superzellen, Böenlinen,
Multizell-Gewitter, Mesoskalige Komplexe (MCS)) speziell ausgewählte Parameter
etwas besser eignen. Die prinzipielle Problematik bleibt aber dieselbe, und für
eine automatische Darstellung wie auf dieser Webseite sind die Verfahren nicht
geeignet, da sie die Kenntnis des Gewitterttyps voraussetzen …)
Stand:
19.01.2009